Wie jede Medaille auch eine Kehrseite hat, so hat auch jede Postkarte eine – und meistens eine sehr interessante. Was kann nicht alles auf einer Karte stehen: Eine junge Frau beschreibt ihrem Freund die ersten zarten Liebesschwüre. Eine Mutter schreibt ihrem Sohn an die Front oder aber Eltern oder die Freundin erhalten Post von dort. Reisende berichten über ihre Erlebnisse an den verschiedensten Orten. Alles Zeitzeugnisse, die völlig authentisch und unverfälscht historische Momente wiedergeben.
Den Sammler hingegen interessieren in der Regel ganz andere Fragen. Für ihn ist viel eher von Bedeutung:
- Ist die Karte postalisch gelaufen oder nicht und wenn ja, mit welchem Stempel und wie geht es der Briefmarke?
- Gibt es eine Verlagsangabe (da einige Sammler nur nach Verlagen sammeln)?
- Welchen allgemeinen Zustand hat die Karte (sind z. B. Flecken, Knicke oder ähnliches vorhanden)?
Wenn diese Fragen beantwortet sind, verschwindet normalerweise das Interesse an der Rückseite. Heute hier bei mir aber nicht. Denn mit einem wachem Auge kann man beim Lesen der Nachrichten die eine oder andere Entdeckung machen. Interessant ist einerseits die Gestaltung der Rückseite. In den Jahren bis ca. 1905 wurde die Adresse des Empfängers über die gesamte Rückseite geschrieben. So blieb für den Text der Karte nur der Rand auf der Bildseite. (ein Beispiel findet ihr im Artikel: Gruß aus-Karten als Lithografie) Die Texte bieten auch einen guten Überblick über die Veränderungen in der jeweils gelehrten Schrift. Einiges fällt uns sehr schwer zu lesen, zum Beispiel die Sütterlin-Schrift.
Manchmal, in seltenen Fällen, kann man sogar der großen Geschichte ein Stück abringen, das nur der ursprüngliche Verfasser, der Empfänger und der Finder der Postkarte gemeinsam teilen. Das Faszinierende daran ist, dass in einigen Texten historische Begebenheiten erwähnt werden, von denen wir wissen, wie sie weiter gegangen sind.
Solltet ihr euch jetzt auf die Suche machen, nach interessanten Texten, nach bekannten Absendern oder Adressaten – seid nicht verzagt, wenn es nicht gleich mit der großen Geschichte klappt. Meistens (so ist das Leben nun mal) finden sich auf den Postkarten nur Texte wie zum Beispiel: „mir geht es gut, das Wetter ist schlecht, die Verpflegung brauchbar, die Mädels so oh la la und ich freue mich auf zu Hause“. Aber wer Geduld hat, wird irgendwann aber auch belohnt. Auf dem Weg dahin möchte ich Euch nun etwas zum Schmökern einladen.
Texte einer Postkarte als historische Momentaufnahmen
Als erstes begeben wir uns auf eine Zeitreise und lesen einmal ein wenig in der Post eines Generalmajors aus dem I. Weltkrieg (siehe Bild oben). Er bekommt Grüße zum Jahreswechsel 1915/16. Im Text verleiht der Absender seinem Wunsch Ausdruck, es möge recht bald der langersehnte Frieden einsetzen. Wir wissen, dass es noch fast drei Jahre dauern sollte, bis sich dieser Wunsch erfüllt hat.
Auf der unten abgebildeten Postkarte bekommen wir die taufrischen Eindrücke eines Paares zu lesen, die gerade von einer Privataudienz beim Heiligen Vater Papst Pius XII. kommen. Man spürt beim Lesen richtig, wie schwer es ihnen fällt, die Realität des Besuches wirklich zu verarbeiten.
Zum Abschluss unserer kurzen Schmökerei stehen noch zwei Schreiber auf dem Programm, die es sogar zu eigenen Wikipedia-Seiten geschafft haben. Hans Rosenberg, ein deutscher Physiker und Astronom schreibt auf der hier abgebildeten Karte darüber, dass er eine Ausgabe „Populäre Astronomie“ an einen Verein für vaterländische Naturkunde verschenkt.
Die zweite Karte wurde von Marthe Renate Fischer, einer deutschen Schriftstellerin, an Erich Kästner als Ersatz für einen persönlichen Geburtstagsbesuch ein Jahr vor ihrem Tod geschrieben.
Wenn ich euch nun also ein wenig neugierig machen und euch animieren konnte, dann los! Ab auf die Suche!
Euer Postkartendetektiv